Germanistiktag 2023: Schreiben mit KI in der Literatur und im Alltag

Wir laden herzlich zum SAGG Germanistiktag 2023 am 1. Dezember an der Universität Basel ein! Mit Vorträgen aus literaturwissenschaftlicher, linguistischer und medienwissenschaftlicher Sicht von Markus Krajewski (Basel), Sina Dell'Anno (Basel), Stephanie Catani (Würzburg), Jenifer Becker (Hildesheim), Sarah Brommer (Bremen), Sarah Ebling (Zürich) und Noah Bubenhofer (Zürich). Mit einer Podiumsdiskussion zu KI in Literatur und Alltag mit Ruth Fulterer (Journalistin NZZ), Philippe Wampfler (Lehrer, Fachdidaktiker, Kulturwissenschaftler), Jenifer Becker (Literaturinstitut Hildesheim), Carolin Amlinger (Universität Basel, Literatursoziologie), Jean Terrier (Universität Basel, Bildungstechnologien). Im Anschluss findet die Jahresversammlung der SAGG statt.

Programm

ab 8:30 Empfang
9:00

Begrüssung Prof. Dr. Nicola Gess, Fachbereichsleitung Deutsches Seminar der Universität Basel

Mirjam Weder, Noah Bubenhofer: Einführung

9:10 Noah Bubenhofer (Zürich): Maschinen | Schreiben | Sprache: Neue Praktiken und ein performativer Salto?
9:30 Markus Krajewski (Basel): Bausteine zu einer »Tiefengeschichte« der Künstlichen Intelligenz (1696-2023)
10:10 Kaffeepause
10:30 Sina Dell'Anno (Basel): Das Gespenst der Maschine. Zur Vorgeschichte computergenerierter Literatur.
11:00 Stephanie Catani (Würzburg): KI, Autorschaft & Kreativität
11:45 Jenifer Becker (Literaturinstitut Hildesheim): Alpha Centauri in Ewigkeit: Erzählen mit ChatGPT
12:25 Mittagspause
13:45 Sarah Brommer (Bremen): Schreiben, Schreibkompetenz, KI – Perspektiven von Schreibforschung und Schreibdidaktik
14:30 Sarah Ebling (Zürich / Winterthur): KI-basierte Kommunikation im Kontext von Barrierefreiheit
15:10 Kaffeepause
15:30 Öffentliche Podiumsdiskussion mit: Ruth Fulterer (Journalistin, NZZ), Philippe Wampfler (Lehrer, Fachdidaktiker, Kulturwissenschaftler), Jenifer Becker (Literaturinstitut Hildesheim), Carolin Amlinger (Deutsches Seminar, Universität Basel, Literatursoziologie), Jean Terrier (Universität Basel, Bildungstechnologien). Moderation: Mirjam Weder.  
17:00 Kaffeepause
17:15 Mitgliederversammlung SAGG  und Verleihung des Zeno Karl Schindler-Preises für deutsche Literaturwissenschaft

Veranstaltungsort: Universität Basel, Kollegienhaus, Petersplatz 1, Hörsaal 120

Organisator:innen: Mirjam Weder (Basel), Noah Bubenhofer (Zürich), Fachgesellschaft Schweizerische Akademische Gesellschaft für Germanistik

Teilnahmegebühr: Für Mitglieder der SAGG kostenlos, für alle anderen Teilnehmenden in Präsenz erheben wir einen Unkostenbeitrag von CHF 30.—, direkt vor Ort in bar zu bezahlen.


Anmeldung


Bitte melden Sie sich hier bis zum 28. November für den Germanistiktag 2023 an, der am 1. Dezember 2023 an der Universität Basel stattfindet. Der Germanistiktag besteht aus der Tagung "Schreiben mit KI in der Literatur und im Alltag" (9:00 bis 17:00 Uhr). Im Anschluss findet für die Mitglieder der SAGG die  Jahresversammlung statt (17:15 bis ca. 19:30 Uhr). Wenn Sie noch nicht Mitglied sind, werden Sie es doch, dann sparen Sie sich die CHF 30.— Unkostenbeitrag!

Die Anmeldefrist ist abgelaufen. Wenn Sie sich trotzdem noch kurzfristig anmelden wollen, melden Sie sich bitte direkt bei Mirjam Weder: mirjam.weder@unibas.ch.


Abstracts

Noah Bubenhofer

Maschinen | Schreiben | Sprache: Neue Praktiken und ein performativer Salto?

Textgenerierende Sprachmodelle wie ChatGPT können allerhand: Texte verfassen und bewerten, programmieren, Ideen entwickeln, Daten auswerten. Was sind Sprachmodelle eigentlich, warum können sie das – und was können sie nicht? In meinem Vortrag blicke ich aus einer linguistischen Perspektive kritisch auf textgenerierende "KI" und frage nach den Veränderungen wissenschaftlichen Schreibens und Forschens. Damit verbunden sind auch Fragen danach, was der Erfolg performanzorientierter statistischer Modelle für die Sprachtheorie bedeutet: Was ist denn eigentlich Sprache?

 

Markus Krajewski

Bausteine zu einer »Tiefengeschichte« der Künstlichen Intelligenz (1696-2023)

Der Vortrag steckt einige Etappen einer langen Genealogie oder  »Tiefengeschichte« der Künstlichen Intelligenz ab, bei denen es darum geht, in der Geschichte der Mensch-Maschine-Interaktion seit der abendländischen Antike Szenarien zu finden, die als aufschlussreiche Beschreibung für die heutige Lage dienen können, wie Menschen gemeinsam mit Dingen denken. Der Fokus liegt dabei weniger auf Infrastrukturen oder Immobilien wie Bibliotheken, sondern auf Beweglichem, auf dem, was in Zirkulation oder Fluss in der Wissensproduktion gerät sowie auf den Geräten selbst, die diese Informationsflüsse bestimmen und steuern. Anhand eines genaueren Blicks auf drei Szenarien aus unterschiedlichen Epochen sollen so die Konturen einer Geschichte der Denkmöbel entstehen, die im Zusammenspiel mit ihren Nutzern, so meine These, eine spezifische Intelligenz, teils künstlich, teils menschlich, generiert, um durch diese eigentümlichen Kollaborationen zwischen Menschen und Möbeln ein neues Wissen zu produzieren. 

 

Sina dell'Anno

Das Gespenst der Maschine. Zur Vorgeschichte computergenerierter Literatur.

Wie jede technologische Innovation, so provoziert auch das digitale, computergenerierte Schreiben unweigerlich die Frage nach seinen historischen Vorläufern. Der Beitrag widmet sich dieser Frage, indem er anhand einiger topisch gewordener Beispiele Stationen und Varianten einer möglichen Vorgeschichte computergenerierter Literatur skizziert: von der lullistischen Kombinatorik und ihren poetischen Blüten im Barock über die satirischen ,Schreibmaschinen‘ des 18. Jahrhunderts bis zu den Stochastischen Texten eines Theo Lutz und der oulipistischen Maschine Georges Perecs. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der phantasmatischen Qualität maschineller literarischer Produktion.

 

Stephanie Catani 

KI, Autorschaft & Kreativität

Am Beispiel digitaler generativer Literatur setzt sich der Vortrag mit der Frage nach dem Einfluss KI-basierter Textproduktion auf die Literatur und die Literaturwissenschaft der Gegenwart auseinander. Dabei wird nachvollzogen, wie generative KI, im Besonderen textgenerierende Modelle, nicht nur literarische Produktions- und Rezeptionsprozesse verändern, sondern literaturwissenschaftlich tradierte Begriffe wie Autorschaft, Kreativität oder Originalität in ihrer häufig normativen Bedeutung herausfordern.

 

Jenifer Becker

Alpha Centauri in Ewigkeit: Erzählen mit ChatGPT

Neulich arbeitete ich an einer Kurzgeschichte mit ChatGPT. Die Geschichte entstand im Kollektiv, wir wollten ausprobieren, ob wir mit ChatGPT Texte schreiben können, mit denen wir als Autor:innen zufrieden sind. Die Regel lautete: Textarbeit lediglich über Prompts, nicht einmal einzelne Wörter dürfen gelöscht werden. Meine Kurzgeschichte handelte von zwei Personen, die im Outback gestrandet waren. ChatGPT schlug den Titel Alpha Centauri in Ewigkeit vor. Nach vier Stunden Prompting entstanden über 100 Normseiten Content in Dialogform, die Kurzgeschichte komprimierte ich auf 5. Auf YouTube existieren Tutorials in denen die Herstellung eines vermeintlich publikationsfertigen Buchs mit ChatGPT auf einen Freitagabend heruntergebrochen wird. Der niedrigschwellige Zugang zu natürlichsprachlicher Textgenese scheint hyperproduktives Schreiben für alle zu versprechen. Seit dem Release von ChatGPT pluralisieren sich entsprechend literarische Texte, die mit KI generiert worden sind. Amazon wird von selbstpublizierten Ratgebern überschwemmt, Autor:innen und Journalist:innen fürchten um ihre Jobs. Gleichzeitig öffnen sich mit KI neue Möglichkeiten, Schreiben und Schreibprozesse anders zu denken. In meinem Vortrag möchte ich über diese Ambivalenzen sprechen, und zwar anhand der Frage, wie ChatGPT literarisches Erzählen verändert. Ich werde dazu Schreiben mit KI innerhalb der Schreibprozessforschung situieren, kollaborative Erzählverfahren vorstellen und anhand der Textgenese von Alpha Centauri in Ewigkeit Grenzen und Problematiken aufzeigen. Ebenso möchte ich darüber nachdenken, was postartifizielles Schreiben eigentlich kann und was es möglicherweise nicht kann. Welches literarische Potenzial steckt in der Kollaboration mit KI? Und in welche erzählerische Richtung bewegen wir uns im Zeitalter generativer Sprachmodelle?

 

Sarah Brommer

Schreiben, Schreibkompetenz, KI – Perspektiven von Schreibforschung und Schreibdidaktik

Die dynamischen Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz werfen insbesondere für den Bildungsbereich, die Schreibforschung und die Schreibdidaktik Fragen auf, für die es – abgesehen von diversen Richtlinien – noch kaum Antworten gibt. Zum einen fehlen empirisch gestützte Erkenntnisse, wie KI den Schreibprozess und die Schreibentwicklung beeinflusst, zum anderen besteht ein grundlegendes Theoriedesiderat, besonders in der Deutschdidaktik. Fest steht, dass KI das Schreiben verändern wird und die Schreibdidaktik darauf reagieren muss, womit sich wiederum für die Schreibforschung ein neues Feld auftut. Dabei bieten KI-Technologien für das wissenschaftliche Schreiben, das ich in meinem Vortrag fokussiere, sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Der Vortrag nähert sich dem Themenkomplex aus theoretischer, empirischer wie auch didaktischer Perspektive und zeigt auf, welche Aspekte von Verantwortung sich für Hochschulleitungen, Forschende, Lehrende, Studierende und Schreibwissenschaftler*innen aus den aktuellen Entwicklungen im Bereich textgenerierender und textrelevanter Künstlicher Intelligenz (KI)  ergeben.

 

Sarah Ebling

KI-basierte Kommunikation im Kontext von Barrierefreiheit

Seit einiger Zeit spielt künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle in der Produktion und Rezeption geschriebener, gesprochener und gebärdeter Sprache im Kontext von Barrierefreiheit, etwa in der Kommunikation mit Menschen mit Sprech-, kognitiven und motorischen Beeinträchtigungen. Das Referat legt innerhalb der Disziplin der unterstützten Kommunikation (UK) den Fokus auf die Sprachproduktion. Es führt ein in verschiedene Anwendungsbereiche, analysiert die Rolle der KI in diesen, skizziert Herausforderungen und stellt Forschungs- und Entwicklungsdesiderate für die Zukunft auf.